Cybergrooming erkennen und Kinder schützen

In ihrem Ratgeber erklärt Leonie Lutz, was es mit dem gefährlichen Phänomen "Cybergrooming" auf sich hat. Außerdem hält sie Tipps und Maßnahmen bereit, mit denen Sie Kinder schützen und Täter entlarven können.

Die unbekannte Gefahr

Wenn ich bei Elternabenden in die Runde frage, wer von den Anwesenden den Begriff "Cybergrooming" schon mal gehört hat, gehen allenfalls ein paar Hände nach oben. Komisch, denn Cybergrooming betrifft ausschließlich Kinder. Somit müsste man ja denken, dass Eltern dieses Phänomen kennen, oder zumindest schon davon gehört haben. Da ich aber die gegenteilige Erfahrung gemacht habe, möchte ich hier kompakt über das Thema aufklären.

Unter Cybergrooming versteht man das Ansprechen von Kindern über Apps, soziale Netzwerke oder Online-Spiele mit dem Ziel eines sexuellen Kontakts. Klingt erstmal so, als wolle man das "lieber gar nicht wissen" und an dieser Stelle keinesfalls weiterlesen. Und ja, das Thema ist keine leichte Kost, aber für Eltern besonders wichtig. Wenn Eltern nämlich von den Mechanismen gehört, oder in diesem Falle gelesen haben, können sie dieses Wissen auch altersgerecht an ihre Kinder weitergeben und sie dadurch warnen, also besser schützen.

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Unsere Gastautorin Leonie Lutz ist Redakteurin, Bloggerin und Gründerin von "Kinder digital begleiten". Die Mutter von zwei Töchtern schreibt für die DEVK darüber, wie Eltern ihre Kinder in der digitalen Welt begleiten und schützen können.

Leonie Lutz

Gastautorin

Vorgehen und Ziele eines Cybergroomers

Cybergroomer gehen immer ähnlich vor. Sie suchen anfangs den Kontakt zu einem Kind und wollen dann Vertrauen aufbauen. Das gelingt ihnen nicht nur in sozialen Netzwerken, sondern auch besonders gut in Online-Spielen, also auch in Spiele-Apps mit Chatfunktion. Das gemeinsame Spiel verbindet, Kinder fassen hier schneller Vertrauen, als wenn sie eine anonyme Nachricht von einem Fremden bekommen.

Zunächst wird also Vertrauen aufgebaut, man spielt miteinander oder schreibt sich ganz unverbindlich. Dabei gibt sich der Cybergroomer in der Regel als eine andere Person aus. Chattet er mit einem 12-jährigen Mädchen, gibt er z. B. vor, ein 13 Jahre alter Junge zu sein.

Das gemeinsame Chatten kann mehrere Wochen oder auch nur wenige Stunden dauern, bis es zum nächsten Schritt kommt. Der Cybergroomer, also der Täter, möchte mehr von unseren Kindern: meistens ein Foto. Als Vertrauensbeweis hat er häufig bereits ein Foto von sich geschickt. Er bedient sich hierfür an frei zugänglichen Bildern im Netz.

Je enger der Kontakt wird, je mehr Bilder ausgetauscht werden, desto fordernder wird der Cybergroomer. Nun gibt es mehrere Optionen, die eintreten können. Der Täter fordert noch mehr Bilder oder nun auch Nacktaufnahmen. Er kann auch ein reales Treffen vorschlagen oder das Kind mit den bereits geschickten Fotos erpressen, um so noch mehr Nacktbilder oder -videos zu bekommen.

Findet der Erstkontakt in einer Spiele-App statt, in der im Chat keine Fotos versendet und empfangen werden können, wird der Cybergroomer versuchen, die Telefonnummer des Kindes zu bekommen. Damit kann er die Konversation z. B. auf WhatsApp verlegen. Alternativ werden hier auch Snapchat oder Instagram genutzt.

Wie erkenne ich einen Cybergroomer?

Es ist für Kinder fast unmöglich, einen Cybergroomer auch als solchen zu enttarnen. Wenn Kinder jedoch durch ihre Eltern zum Thema aufgeklärt sind und sie die Mechanismen der Täter kennen, steigen selbstverständlich die Chancen einer Enttarnung.

Zwei wichtige Faktoren für Cybergroomer sind das Zeigen von Verständnis und der Aufbau von Vertrauen zu den Kindern. Dabei ist auch die Tarnung sehr wichtig. Die Täter legen sich z. B. folgende Rollen zu:

  • Model-Agent
  • YouTube-Agent
  • Fußball-Trainer o. ä.
  • Gleichaltrige
  • Lehrer (den Fall hatten wir in unserer Familie)

Wie kann ich mein Kind schützen?

Weder die Technik noch eine Kontrolle durch die Eltern bieten einen vollumfänglichen und nachhaltigen Schutz. Wichtig ist viel mehr, Kinder für das Thema zu sensibilisieren und mit ihnen immer im engen Austausch zu sein. Auch gesundes Misstrauen und Skepsis sind hilfreich.

  • Kinder über die Gefahr des Cybergroomings aufklären
  • erklären, dass sich hinter Chatpartnern auch Personen verbergen können, die sich als jemand anderes ausgeben
  • Kindern auch im Netz den Kontakt zu Fremden untersagen
  • mit dem eigenen Smartphone die Mechanismen von Cybergroomern darlegen
  • beim Einrichten von (Spiele-)Apps unterstützen und mögliche Privatsphäre-Einstellungen nutzen
  • Kindern klarmachen, dass Cybergrooming eine Straftat ist, die Eltern zur Anzeige bringen können. Verboten ist Cybergrooming laut Paragraph 176 des Strafgesetzbuchs als besondere Begehungsform des sexuellen Missbrauchs.
  • Kinder sensibilisieren, dass sie sich nicht mit Klarnamen in Spielen oder Sozialen Netzwerken anmelden und sie ihre Standortdaten, Telefonnummer, Name, Schule und Adresse mit niemandem teilen.

Eltern, deren Kinder Opfer von Cybergrooming werden, sollten nicht den Täter kontaktieren und den Chat löschen, sondern im ersten Schritt Screenshots der Konversation anfertigen, sich genaue Hinweise notieren (z. B. Name der App, Datum, Uhrzeit und Nutzername des Cybergroomers) und dann Anzeige bei der Polizei erstatten.